Eine Flusskreuzfahrt im Stil der Kolonialzeit in Mitten des Dschungels führt in die bewegte Geschichte Thailands
Eine Flusskreuzfahrt im Stil der Kolonialzeit in Mitten des Dschungels führt in die bewegte Geschichte Thailands
Ja es gibt sie noch, die Enklaven der Ruhe und Besinnung in Mitten eines an Hektik kaum mehr zu überbietenden Lebens. Bangkok ist weltweit das Beispiel par excellence für eine beinahe schon außer Rand und Band sich entwickelnden Metropole, der Prototyp der scheinbaren Zukunft schlechthin. Doch es gibt Ausnahmen und eine Reise mit der River Kwai vor den Toren der Millionenstadt scheint wie eine Zeitreise in die Vergangenheit zu sein. Nicht nur im Stil und Design erinnert die Reise an vergangene Zeiten, auch die intensive Beschäftigung mit der Geschichte Thailands legt den Fokus nicht nur auf das Reiseerleben der Gegenwart. Die Fahrt ist bewegt und bewegend zugleich.
Gleich in der Frühe noch zu Zeiten des Frühstücks auf der großen Terrasse des altehrwürdigen Oriental Hotels in Bangkok mit seiner berühmten Tea Lounge und den Suiten noch aus seiner Entstehungszeit im späten 19h. Jahrhundert am Chao Praya Fluss, fährt der kleine Bus vor. Den charmanten Stil des kolonialen Hotels im Rücken geht die Reise drei Stunden über den turbulenten Highway bis vor die Tore der Stadt, um sich gleich wieder der Aura der guten, alten Zeit anzuvertrauen. In der Region Kanchanaburi, direkt hinter der berühmten Brücke, wartet das kleine, im Kolonialstil erbaute Schiff River Kwai mit seinen 10 Kabinen auf uns Gäste. Für drei Nächte soll es unser neues Zuhause sein und kaum sind die Koffer verstaut und die Willkommenscocktails geschlürft, geht’s auch schon los. .
Das kleine Schiff wurde in Birma gebaut und war ursprünglich für den Irrawaddy gedacht, bevor sein Einsatzgebiet der River Kwai im benachbarten Thailand wurde. Im Design orientiert sich die River Kwai an der berühmten Irrawaddy Flotte, die bereits 1865 gegründet wurde und in den 1920er Jahren sogar die größte privat betriebene Flussschiffflotte der Welt war. Die Kabinen und Decks sind in Teakholz gehalten, die Reisegeschwindigkeit ist mit max. 8 Knoten überschaubar, um sich in Ruhe der Natur des Regenwaldes zu widmen. Die Kabinen sind mit 12 qm klein aber funktional.
Gleich zu Beginn der Reise steht der Höhepunkt auf der Agenda, die Besichtigung der Brücke am Kwai. Wer kennt ihn nicht, den berühmten, gepfiffenen Marsch der Soldaten im Hollywoods Drama „Die Brücke am Kwai“ aus dem Jahr 1958. Gleich acht Oscars hat der Film abgeräumt und die weltberühmte Titelmelodie wurde gar von einer deutschen Kräuterlikörmarke für deren Werbespots zweckentfremdet („Komm doch, mit auf den…-berg“). Die Brücke über den Kwai Fluss wurde zum Symbol der Befreiung von fremder Besatzung und gehört heute zu den historischen Highlights des gesamten Landes.
 Assoziationen mit Thailand umschließen oft in erster Linie die gesunde Küche und einen extensiven Strandurlaub unter Palmen. Mit beidem kann das Land überzeugend punkten und beides wird von den Tourismusschaffenden auch intensiv beworben. Eine Flusskreuzfahrt, die an eines der dunkelsten und traurigsten Kapitel der jüngeren Geschichte erinnert, kommt da meist weniger in den Sinn, ist aber im Besonderen für historisch interessierte Reisende von unglaublichem Gewinn und daher einer der schönsten Geheimtipps der Region. Die kurze, viertägige Flusskreuzfahrt auf dem Kwai folgt dem Verlauf der ehemaligen Burma-Thailand Eisenbahn und genau hier liegt das Geheimnis der Reise.
In den frühen 1940er Jahren in Mitten des zweiten Weltkrieges eroberte Japan in Südostasien ein Land nach dem anderen. Bis nach Birma breitete sich das Kaiserreich aus und als der Seeweg nach Rangun, vorbei an Java und Singapur, zu gefährlich wurde, musste der Nachschub anderweitig organisiert werden. Eine Eisenbahn sollte her, mitten durch den Dschungel. Auf einer Gesamtlänge von 415km (dies entspricht in etwa der Luftlinie zwischen Hannover und Stuttgart) mussten binnen weniger Monate über 260.000 Kriegsgefangene bei unmenschlichen, tropischen Bedingungen und mit bis zu 18 Stunden Arbeitspensum pro Tag, die Schneisen tief in den Dschungel schlagen.
Mehr als 200.000 Strafgefangene aus Asien und zusätzlich 60.000 aus England, Holland und Australien kamen zum Einsatz; mindestens 102.000 von ihnen verloren bei der Arbeit das Leben, der Rest wurde größtenteils misshandelt. Im Volksmund wird die Bahn daher bis heute die Todesbahn (Death Railway) genannt. Die Brücke über den Fluss ist ihr berühmtestes Teilstück und gewann mit der Sprengung durch die Alliierten Weltgeltung. Wir überqueren die Brücke zu Fuß und schauen auf unser kleines, beschauliches Schiff.
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Vier Tage sind eine kurze Zeit, so will jeder Augenblick genutzt werden. Über Nacht ankert die River Kwai in Mitten des Flusses, zum Frühstück um 7.30h wird die Ankerkette gelichtet und die Motoren angeworfen, um kurz darauf doch wieder stehen zu bleiben. Es ist 8.30h und um diese Zeit bringt uns jeden Morgen das mitgeführte kleine Tenderboot an Land. Alle Ausflüge werden mit dem Bus absolviert, um möglichst viel in der kurzen Zeit sehen zu können. Hinduistische Tempel aus dem frühen 12 Jahrhundert stehen ebenso auf dem Besichtigungsprogramm wie goldene Pagoden, ein Badebesuch von heißen Quellen oder sogar eine 30minütige Zugfahrt auf der historischen Strecke in historischen Wagons, die bereits in den 40er Jahren zum Einsatz kamen.
Ab Bangkok fährt der Zug und nähert sich bis 130km der Grenze Birmas. Weiter könnte er gar nicht fahren, da auf beiden Seiten der beiden Länder über eine Wegstrecke von jeweils 130km die Gleise abgebaut sind. Der Bus bringt uns bis in die Schluchten des Hellfirepasses, der in ein open air Museum umgewandelt wurde und anschaulich die Leistungen der Sträflinge im zweiten Weltkrieg dokumentiert. Es wurde sogar diskutiert, die eingleisige Strecke wieder zu rekonstruieren, die Schneiden sind noch immer gelegt und für den Tourismus der Region würde dies als starker Publikumsmagnet gewertet. Doch der Respekt der Thai vor den Toten und ihre spirituelle Einstellung gegenüber dem Leben lassen ökonomische Perspektiven nicht gelten. So bleibt denn eine Fahrt mit der River Kwai die einzige Alternative, den Dschungel westlich von Bangkok mit seiner aufwühlenden Geschichte zu besuchen.
An den Mittagen sind wir jeweils wieder an Bord zurück, wenn es heißt, die Seele baumeln zu lassen, während sich die River Kwai stromaufwärts bis in die Abendstunden ihren Weg durch den Regenwald kämpft. Die Landschaft mit ihren Felsen und Schluchten ist von einmaliger Schönheit und touristisch noch nicht zu sehr zergliedert. Vier Tage Abenteuer, Kultur und Geschichte tief im Regenwald Thailands haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur in Form des Verlaufs des River Kwai.