Nur die Pinguine waren Zeuge. Der russischen Eisbrecher
Kapitan Khlebnikov fuhr von Tasmanien aus in die östliche Antarktis. Eine ganz
besondere Expedition in einen der einsamsten Eisgründe der Welt.
Eine Kreuzfahrt – oder das, was man im herkömmlichen Sinne unter diesen mit dem Merkmal „komfortabel“ versehenen, und wenn wir mal ehrlich sind, auch immer öfter austauschbaren Schiffsreisen versteht, kann man die Tour auf der Kapitan Khlebnikov absolut nicht nennen: Eine Expedition, im ursprünglichsten Sinne des Wortes ist es, eine Forschungsreise, die der russische Anbieter seit 1991 auch auf dem deutschen Markt offeriert, gemeinsam mit dem Schwesterschiff Kapitan Dranytsin. Eine Expedition auch mehr als alle anderen, die sich im Segment der „Expeditionskreuzfahrten“ tummeln und so nennen. Schnell wird da eine Fahrt mit dem Luxusliner bei Champagner und Mozart-Musik an die Küste Grönlands als eine solche Expeditionskreuzfahrt verkauft. „Floating Gin-Palaces“ nennt diese schmunzelnd ein britischer Lektor an Bord des Eisbrechers. Auch haben nicht alle, die in Richung der Pole aufbrechen, die nötigen baulichen Voraussetzungen für eine sichere Begegnung mit dem Eis. Eine Expedition mit einem Eisbrecher wie der Kapitan Khlebnikov, der „Königsklasse“ der Expeditionsschiffe, bleibt trotz eines wachsenden Nischenmarktes deshalb immer noch doch die ganz große Ausnahme. Dies liegt zum einen daran, dass Eisbrecher im Rahmen der Expeditionsschiffe deutlich in der Minderzahl sind. Zum anderen sind die besonderen Ausstattungsmerkmale dieser Schiffe oft nicht bekannt, der erhöhte Preis ist dadurch für viele nicht immer nachvollziehbar.
Umso gespannter darf man deshalb auf diese ungewöhnliche Polarexpedition mit der Kapitan Khlebnikov sein: Ab Hobart auf Tasmanien geht es in die südöstliche Antarktis zur Commonwealth Bay, Kap Denison und Kap Darnely zu den seltenen Kaiserpinguinen, den größten ihrer Art. Über einen Monat lang ist der Eisbrecher unterwegs bevor die Gäste in Perth wieder australischen Boden unter den Füssen haben. Eine Expedition ist es, auf die selbst so mancher erfahrene Expeditionshase lange warten muss, um an Bord gehen zu können: Sie wird nur mit einem einzigen, nämlich diesem Schiff gemacht und auch dies nur vier Mal innerhalb von 20 Jahren!
Das hat seine Gründe: Der Ferne Osten der Antarktis gehört zu den Highlights eines jeden Expeditionsangebots. Selbst Expeditionen mit dem Schiff zum Nordpol, die immerhin mehrmals pro Saison angeboten werden, ähneln da schon eher einem Massengeschäft gemessen an den verfügbaren Kapazitäten. Das Gebiet östlich der Ross Sea, beginnend mit Commonwealth Bay und Terre d‘Adélie, ist das am schwierigsten zugängliche in der Antarktis. Von daher werden Expeditionen bis hierher selten angeboten. Zu aufwendig ist die Reise mit den Eisbrechern, die es für diese Expedition zwingend bedarf. Zum einen ist das Eis in dieser Region der Antarktis zu dick, als das ein klassisches, eisverstärktes Expeditionsschiff hier operieren könnte. Zum anderen sind Hubschrauber notwendig, da auf Grund der hohen Eisdichte Zodiacs nicht zum Einsatz kommen können. Und erst diese Hubschrauber ermöglichen auch die Anlandungen, weil mit ihrer Hilfe auf die großen Eisplateaus geflogen wird, um die Kolonien der seltenen Kaiserpinguine zu besuchen.
Es gibt nur sehr wenige Menschen, meist sind es Wissenschaftler der hier ansässigen Forschungsstatio- nen, die das Glück haben, diesen entfernten Zipfel des Globus besuchen zu können. Sollte es eine Ecke der Welt geben, wo das Eis wirklich noch ewig sein kann, es wäre der Südosten dieses weißen Kontinents. So ist die Reise in den Fernen Osten der Antarktis für die 95 Gäste auch eine Reise in die Einsamkeit. Für Wochen wird ihnen weder ein Schiff oder gar ein Kreuzfahrtschiff, geschweige denn ein anderer Tourist begegnen. Die Pinguine werden zu temporären Freunden ernannt – und die einzigen Zeugen ihrer Anwesenheit sein.
Die Reise auf der Kapitan Khlebnikov ist eine Jubiläumsreise, denn vor 100 Jahren wurde die Antarktis entdeckt:
Eine Expedition in die südöstliche Antarktis ist oft mit einem Anlass verbunden, zum Beispiel, wenn es besondere Feste zu feiern gibt wie den 100. Geburtstag der großen Douglas Mawson Expedition im Herbst 2011. Der australische Held hat weite Teile der südöstlichen Antarktis -Küste erschlossen. Ihm allein ist es zu danken, dass Australien heute über 40 Prozent des gesamten antarktischen Kontinents für sich beansprucht, diese Ansprüche international anerkannt sind, auch wenn sie im Rahmen des Antarktisvertrags ruhen. Der Brite Scott hatte Mawson 1911 eingeladen, ihn bei seinem Wettlauf zum Südpol zu begleiten. Mawson lehnte dankend ab und plante seine eigene Expedition. Ihm ging es nicht um Heldentum und Eroberung, sondern primär um wissenschaftliche Zwecke zur Vermessung der Antarktis. So brach Mawson im Dezember 1911 selbst zu seiner eigenen großen Antarktisexpedition auf, auf deren Spuren wir heute wandeln. Scott hat den Wettlauf zum Pol, den bekanntlich Amundsen gewann, nicht überlebt. Zu seinen Ehren hat die Kapitan Khlebnikow also als expeditionserprobter Eisbrecher dieses Gebiet erneut besucht. Zudem sollte dies, zumindest vorerst, die besondere Abschiedsreise dieses Schiffes sein, da es ab der Saison 2012 an eine Ölfirma verchartert ist, erst ab 2014 dem Expeditionsmarkt wieder zur Verfügung stehen soll.
Einschiffungshafen dieser Expedition ist Hobart auf Tasmanien.
Hier wartet der Eisbrecher, um seine 31tägige Expedition in den tiefsten Süden der Welt zu beginnen. Eine lange Reise, doch das ist nicht zu ändern: Fahrten in die südliche Antarktis sind fast immer mit über einen Monat Dauer disponiert, weil allein über fünf Tage benötigt werden, bis die Küste der Antarktis erreicht ist. Die Seereise durch den südlichen Ozean, der als der wildeste unter den Weltmeeren gilt, kann beginnen. Die Gäste an Bord kommen aus der ganzen Welt und sind fast ausnahmslos expeditionserprobt: Schnell stellt sich nach den ersten „Hello`s“ und „Hi’s“ heraus, dass sie schon mehrfach die Polargebiete bereist haben und nun noch eines der letzten sprichwörtlich „weißen Flecken“ erleben wollen. Vor allem wollen sie zu den Kaiserpinguinen, zumal in Kolonien zu Hunderttausenden, die selten auf der Agenda von Expeditionen stehen, weil sie meist nur im Inneren der südlichen Antarktis zu finden sind.
Für die meisten ist also das Innenleben des Eisbrechers vertraut. Alle Neulinge aber erkunden die vielen Decks, laufen immer wieder vom Bug bis zum Heck und bestaunen die vielen Vorrichtungen auf den Decks, die der Eisnavigation dienen. Immer wieder weisen uns die Lektoren in den ersten Tagen darauf hin, dass dies primär ein Arbeitsschiff für den Einsatz in Nordostsibirien bei Temperaturen von bis zu minus 50 Grad ist. Ein „Sommertörn“ wie nun in die südöstliche Antarktis, gleicht für die Matrosen an Bord dann schon mehr einer aktiven Freizeitgestaltung, immerhin werden die Temperaturen auf dieser Reise fast immer weit über dem Gefrierpunkt liegen. Zentraler Treffpunkt des Schiffes ist das Restaurant, das außerhalb der Mahlzeiten als bequeme Lounge mit Bibliotheksecke dient. Von hier hat man einen ausgezeichneten Blick über den Bug hinaus. Nachdem alle ihre Kabine gefunden haben lädt Shawn, der Expeditionsdirektor (vergleichbar dem Kreuzfahrtdirektor auf einem klassischen Kreuzfahrtschiff), per Funk zum Treffpunkt in der lecture hall. Dies ist ein zentraler Versammlungsort im siebten Stock des Eisbrechers, der einem Kinosaal nachempfunden ist und wo fortan sämtliche Briefings, Lektoren- und Filmvorträge (tagsüber naturkundliche Filme, abends nach dem Essen Spielfilme zur Unterhaltung) stattfinden werden. Die besondere Ausstattung des Schiffes macht eine ganze Reihe von Einführungsvorträgen notwendig an den ersten Seetagen, während wir schnurstracks Kurs Süd gewählt haben. Zodiacs und Hubscharuber bedürfen beide gesonderter Einführungen, auch das Einstiegen in die Helikopter wird einen halben Tag lang am Bug des Schiffes auf dem Hubschrauberdeck aktiv geübt.
Die größte Freude für alle Neulinge ist die Politik der offenen Brücke. Zu jeder Tages- und Nachtzeit dürfen die Passagiere auf die Brücke und dem Kapitän und seinen Offizieren beim Navigieren des Schiffes über die Schulter sehen, Ausnahmen sind riskante Manöver. Die Struktur des Eisbrechers mit seinem hohen, zehnstöckigen kubischen Aufbau, in dem sich das ganze Bordleben der Passagiere abspielt, leistet einen hervorragenden Ausblick in die weißen Weiten des antarktischen Kontinents. Hoch oben, direkt am Fahnenmast, ist zudem noch eine große Aussichtsterrasse zu finden, die schon bei der Überfahrt in die Antarktis an den ersten Seetagen zur Suche nach Walen ausgiebig genutzt wird.
Um die langen Tage intensiv zu nutzen, bevor die ersten Küstenstreifen zu sehen sein werden, bieten die Lektoren eine Fülle von Vorträgen zur Historie, Flora und Fauna der Region. Acht Experten bieten bis zu vier großen Bildvorträgen pro Tag. Wir lernen so ziemlich alles über den großen australischen Nationalhelden, Sir Douglas Mawson und seine berühmte Expedition aus dem Jahr 1911. Die einzelnen Wal-oder Pinguin Arten unterscheiden zu können, wird ein Kinderspiel für uns und nicht wenige begeistern sich sogar für den Ablauf der Nahrungskette im Eiswasser der Antarktis. Die ersten Mahlzeiten stehen an und viele sind überrascht von der guten Qualität der Küche, die noch immer, obwohl international ausgerichtet, einen deutlich österreichischen Akzent hat. Der Grund ist in der langjährigen Betreuung der Küche durch Hans Graf und sein Team zu sehen (Graf war seit 1991 und den ersten Eisexpeditionen für die Küche verantwortlich). Leider wurde dessen Mannschaft aber seit letztem Jahr durch ein neues Team ersetzt.
Die See bleibt ruhig bis die ersten treibenden Eisberge das Tor zur Antarktis ankündigen. Die Distanz bis zu unserem ersten Stop, Commonwealth Bay, beträgt ca. 2.800km (zum Vergleich: dies entspricht in etwa der Luftlinie Berlin-Casablanca). Die Kapitan Khlebnikov erreicht nach 5 Seetagen die berühmte Bucht, denn hier findet sich eine der letzten historischen Stätten seiner berühmten Expedition. Die Hütte des alten Basislagers steht auf Kap Denison, wurde am 8. Januar 1912 errichtet und hat die Zeit überstanden. Das Kap wirkt auf den ersten Blick wie eine geschützte Bucht, nur wirken in dieser Region der Welt bei Commonwealth Bay die jemals stärksten gemessenen Winde mit weit über 300 Stundenkilometern, das Tagesmittel liegt bei ca. 90 Km pro Stunde. Es gibt keinen windigeren und zügigeren Ort auf dieser Welt.
Die Hütte von Mawson wird heute von einem eigens durch Australien eingerichteten Fonds soweit wie möglich instand gehalten. Da zu erheblichen Teilen eingeschneit, kann sie meist nicht direkt betreten, zumindest aber ein Blick hineingeworfen werden. Als ob Mawson mit seinem Team den Ort gestern erst verlassen hätte, zeigt sich das Innenleben wie unangetastet. Alte Expeditionskleidung und Skier sind zu sehen, selbst historische Zeitungen und die Konserven aus dem Jahr 1912 füllen noch die Regale und sind gut zu erkennen. Doch nicht alle Gäste kommen auf das Kap bis zur Hütte: Plötzlich aufkommenden Winde, wie sie in diesen Regionen nun einmal üblich sind, verhindern dies, so dass nur ein Teil der Passagiere an Land zu Mawsons Hütte geflogen werden kann. Beide Hubschrauberpiloten kämpfen mit den Stürmen, die oft auf katabatische Fallwinde vom Festland zurückzuführen sind. Die Operation muss vorzeitig abgebrochen werden und alle sind froh, unversehrt wieder an Bord zu sein, Sicherheit ist immer erste Priorität einer jeden Expedition.
Unser nächstes Ziel heißt Bowman Island: Entlang von Wilkes Land und der Knox Küste setzen wir die Reise fort. Sechs Tage dauert die Fahrt, bis wir die kleine Insel, auf der eine Kaiserpinguin -Kolonie vermutet wird, erreichen. Das Expeditionsteam verfügt über die Koordinaten von drei möglichen Kolonien, von denen eine jede eine Sensation wäre, da bislang noch kein Schiff diese bisher ansteuern konnte. Die Auswertung der Kolonieplätze erfolgte durch Satellitencharts. Erst vor kurzem hat ein Britisches Forscherteam herausgefunden, dass Pinguin-Kolonien recht einfach auf den Satellitenbildern zu identifizieren sind. Sie sehen wie größere braune Flecken aus. Warum braune Flecken? Die Menge ausgeschiedenem Guano färbt das weiße Eis und lässt durch die dunkle Markierung Rückschlüsse auf eine Kolonie zu.
Sechs Tage durch die eisige See, die lang werden können. Viele widmen sich nun neben den Vorträgen der Bibliothek und stöbern in Bildbänden der Polarliteratur. Wiederum andere widmen sich der Durchsicht ihrer digitalen Fotos. Obwohl das Schiff in der Lounge einen Laptop für alle rund um die Uhr zur Verfügung stellt, hat ein Großteil der Gäste seine eigene digitale Ausstattung dabei. Das Wetter ist meist freundlich, die Temperatur liegt bei knapp unter 10 Grad Celsius, so dass bei Sonnenschein fast alle sich an Deck versammeln. Wer sich ausreichend mit Sonnencreme und Mütze schützt, hat nichts zu befürchten. Auf unserem Weg nach Bowman Island entdeckt der Kapitän, Victor Vassiliew, eine kleine Kolonie von Adélie Pinguinen.
Die Sonne strahlt, selbst für einen Parka ist es deutlich zu warm und nach dem die Kapitan Khlebnikov ihre Maschinen zu Stehen gebracht und die große Gangway heruntergelassen hat, freuen sich alle auf ein Bad im Schnee in mitten der kleinen Pinguine. Die Tiere kennen zu Land keine Feinde, es ist mehr als anzunehmen, dass diese Tiere bislang noch nie Menschen zu sehen bekommen haben und so behandeln sie uns wie ihre Artgenossen. Sie sind neugierig, tapsen umher und werden sich wohl wundern, dass wir um so vieles größer sind als sie selbst; ganz große Pinguine eben.
Wir alle bei Kaiserwetter inmitten der Kaiserpinguine
Sechs Tage, die lang, sehr lang werden können: Besonders dann, wenn es bei unserer Ankunft stürmt und schneit. Und durch dieses Unwetter die erwartete Kolonie auseinander- gebrochen ist, nur noch vereinzelte Tiere zwischen Schneewehen aus den weißen Flocken herausschauen. Zwar überwiegt die Freude beim Anblick des ersten Kaiserpinguins, aber an ein Verlassen des Schiffes ist diesmal für niemanden zu denken. Zu riskant wäre es, bei diesen Bedingungen den Eisbrecher zu verlassen. Die Fallwinde und Schneestürme haben die Temperatur auf weit unter null Grad gedrückt. So versammeln sich alle mit ihren sündhaft teuren Kameras und noch teureren Objektiven am Bug der Kapitan Khlebnikov und trotzen der stürmischen Eiseskälte, um die seltenen Tiere wenigstens aus der Ferne im Schneesturm fotografieren zu können. Niemand hatte zu diesem Zeitpunkt auch nur eine leise Ahnung davon, welche tief beglückenden und in jeder Hinsicht einmaligen Koloniebesuche uns schon bald erwarten würden. Also knipst jeder drauf los, nach dem Motto, was man im Kasten hat, hat man im Kasten!
Dank der Hubschrauber können regelmäßig Erkundungsflüge auf der Suche nach Kolonien durchgeführt werden. Da über Satelliten Bilder die ungefähre Lage der Kolonien abgeschätzt werden kann, finden solche Erkundungsflüge in etwa alle 4 bis fünf Tage statt und dauern bis zu 3 Stunden. Der Spähtrupp war erfolgreich, eine Kolonie ist gefunden. Nach und nach bringt er Hubschrauber jeweils sieben Gäste bis auf einen Sicherheitsabstand von 1500 Meter an die Tiere heran. Es dauert, je nach Streckenlänge, bis zu 5 Stunden, bis alle Gäste mit den beiden Helikoptern an Land zu den Kolonien geflogen sind.
Es ist der Augenblick, auf den alle hier gewartet haben! Ein faszinierender Moment! Über sechs Stunden liegen wir Menschen nun im kalten Schnee, beobachten, fotografieren. filmen oder wandern am Rand der Kolonie entlang. Pinguine sind generell neugierige Artgenossen, kennen zu Land keine Feinde und suchen meist auch den Kontakt zum Menschen. Einzige Bedingung für eine nähere Bekanntschaft mit ihnen: Wir brauchen ausreichend Geduld! Kapitän und Expeditionsdirektor gehen davon aus, dass diese Kolonie überhaupt noch nie Menschen gesehen hat, und so inspizieren uns die Pinguine nach einer kurzen, anfänglichen Scheu. Wir sitzen im Schnee. Warten ab. Bekommen ab und an Besuch: Vor allem die Küken laufen auf uns zu, zwicken in unsere wasserfesten Thermohosen, nicht selten sogar in die Objektive der Kameras. Ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis für alle! Doch irgendwann heißt es für uns Abschied nehmen.
Die australische Davis Station ist tags darauf unser nächstes Ziel. Mit 80 Wissenschaftlern im Sommer vor Ort gehört sie zu den größten und modernsten Forschungs- stationen in der Antarktis. Während im Hochsommer das Tageslicht nie verlöscht, wir uns eine Arbeit hier gut vorstellen könnten, sieht die Sache im Winter schon ganz anders aus. Meist sind in der kalten Jahreszeit bei minus 40 Grad Celsius auch nur noch 20 Wissenschaftler in der Station. Für viele ist es kaum vorstellbar, für Monate kein Licht mehr zu sehen, rund um die Uhr in der unendlichen Nacht zu leben. Einen ganzen Tag lang sind wir auf der Station willkommen, testen die vorzügliche Mensa (es gibt alles, von Fleisch, Fisch, Pasta, vegetarisch bis hin zu vorzüglichen Süßspeisen) und lassen uns einzelne Projekte vorführen. Die Forschungen konzentrieren sich überwiegend auf Fragestellungen der Atmosphäre
Für die Freunde von Adélie Pinguinen hält der kommende Tag eine Überraschung parat. Auf den Wyatt Earp Inseln besuchen wir nicht nur Wilkins Cairn, ein Denkmal im Eis, sondern brütende Adélie Pinguine, deren Küken zum Teil schon geschlüpft sind. Das Fütterungsritual der Kleinen bietet Fotomotive, die sich in dieser Nähe auf der Reise nicht noch einmal wiederholen lassen sollten. Einen ganzen Nachmittag verweilen wir hier bis in die Abendstunden hinein. Der Wind hat die letzten Tage bereits allmählich nachgelassen, und die Sonne zeigt uns, was unter einem antarktischen Hochsommer zu verstehen ist; das Thermometer zeigt 10 Grad Celsius und direkt in der Sonne ist es richtig warm.
Da die Distanzen unendlich erscheinen, bedarf es voller vier Tage, bis wir das Amery Eisplateau und Kap Darnley erreichen. Es sollte der schönste Tag der ganzen Expedition werden: Strahlend blauer Himmel und völlige Windstille erlauben einen viertelstündigen Hubschrauberflug zu einer Kolonie mit etwa 40 000 Kaiserpinguinen – eine Masse an Vögeln, alle in ihrem charakteristischen Frackkleid, soweit das Auge reicht! Die unglaubliche Zahl ist übrigens eine Schätzung von Shawn, unserem Expeditionsdirektor. Wie in einer arrangierten Märchenlandschaft wandern die Pinguine auf ihren Pfaden zwischen Kolonie und dem Meer, um Nahrung für die Jungtiere anzuschaffen.
Über sechzehn Stunden bei perfekten Wetterbedingungen beobachten wir das Schauspiel der Tiere, bis weit nach Mitternacht und immer noch einer über dem Horizont leuchtenden Sonne der letzte Helikopter zur Rückkehr zum Schiff mahnt.
Obwohl der Kontakt zum heimischen Kontinent auf einen seltenen Email-Verkehr beschränkt bleibt, erinnert uns das Treiben der Mannschaft an Bord (140 Crewmitglieder) an unsere zivilisatorischen Wurzeln: Kekse werden gebacken und Tannenbäume nicht nur in Position gebracht, sondern auch reichhaltig geschmückt; das Weihnachtsfest kündigt sich an. Es gibt kleine Präsente, und obwohl die Heilige Nacht bei gleißendem Sonnenschein auf ihre gewohnte Dunkelheit verzichten muss, legt sich ein stiller Zauber der Kontemplation über den Eisbrecher.
Bevor die Rückreise angetreten werden kann, steht am ersten Weihnachtstag noch eine kleine Überraschung an. Eine Landung per Helikopter auf einem Eisberg, immerhin eine Premiere für die Reise, wird ins Auge gefasst. Schnell ist ein geeignetes Objekt gefunden, doch das Expeditionsteam benötigt seine Zeit, die Beschaffenheit des 41 Meter hohen Berges auf Risse und Spalten hin zu überprüfen, bevor eine Landung als sicher befunden und durchgeführt werden kann. Nur in kleinen Gruppen darf geflogen werden, der Radius, innerhalb dessen wir uns frei auf dem treibenden Eisberg bewegen können, ist gering. Doch dafür wartet gleich die nächste Überraschung auf uns: der Weihnachtsmann nebst einem Tannenbaum hat ebenfalls seinen Weg auf den Eisberg gefunden und lädt zu einem Abschiedsfoto für jeden einzelnen Gast ein, bevor die Reise endgültig Richtung Norden fortgesetzt wird. Nun heißt es, der Antarktis Adieu zu sagen, Richtung Perth in Australien gilt der neue Kurs der Kapitan Khlebnikov, doch noch einen Höhepunkt steht auf dem Programm, sofern wir Glück haben und das Wetter mitspielt.
Letzte Station der Reise ist Heard Island
In Mitten des Südlichen Ozeans, ähnlich einem Ring um die Antarktis herum, liegen die subantarktischen Inseln. Eine von ihnen ist Heard Island, sie gehört zu Australien und besteht praktisch nur aus einem einzigen, 3 300 Meter hohen, schneebedeckten Vulkan. Gäbe es einen einzigen Ort auf der Welt zu bestimmen, wo das schlechteste Wetter ist, die Siegespalme ginge gewiss an Heard Island. Innerhalb von 20 Jahren konnten nur eine einzige Anlandung durchgeführt werden, kein sehr optimistisches Versprechen für uns.
Da die Insel nur aus einem riesenhaften Vulkan besteht, herrschen meist den ganzen Tag über katabatische Winde. Zum Schutz der lokalen Flora und Fauna sind Helikopter Anlandungen generell von der australischen Umwelt- und Naturschutzbehörde verboten, hier nun sollten erstmalig unsere Zodiacs zum Einsatz gebracht werden. Und wir hatten Glück, sehr viel Glück! Der Kapitän hat ein Zeitfenster von 4 Stunden ausgemacht, bevor die aufkommenden Winde, diesmal vom Meer her, eine Zodiac Operation unmöglich werden lassen. Die Insel ist Heimat von Königspinguin-Kolonien und Robben. Seeelefanten säumen zudem den Strand, und es ergibt sich ein Bild, wie es viele von uns von Süd-Georgien her kennen. Eine alte Forschungsstation existiert nur mehr noch als Hütte und muss mit Fischernetzen zusammengehalten werden. Wir durchkämmen das hohe Gras und beobachten die Königspinguine bei ihrem Spiel mit dem Wasser. Als ob die Stürme bestellt wären, bläst es nach genau vier Stunden in einer Stärke, dass es das letzte Zodiac nur mit größter Mühe zurück zum Schiff schafft. Die Gischt an der Gangway ist beängstigend hoch, und der Ausstieg aus dem kleinen Schlauchboot erfordert für alle ein absolutes Maß an Konzentration.
So waren wir innerhalb von 20 Jahren nun erst die zweite Anlandung auf dieser Insel, deren extremes Wetter wir schon am nächsten Morgen werden erleben können. Wir warten voller Optimismus über Nacht auf Reede und hoffen, der Insel am kommenden Morgen, bevor die Reise Richtung Perth fortgesetzt wird, noch einen letzten, zweiten Besuch abstatten zu können. Doch die mittlerweile meterhohe Brandung und Windstärken nahe dem zweistelligen Beaufort Bereich lassen auch nicht im Entferntesten eine Chance aufkommen, Heard Island nochmals betreten zu können. Majestätisch liegt der große Vulkan vor uns und weist uns den Weg Richtung Norden.
Trotzdem liegt ein großes Gefühl der Dankbarkeit über dem Schiff, am Vorabend die ersten und zugleich letzten Schritte auf Heard Island gemacht zu haben. Es war das einzige Mal, dass auf dieser langen Reise die bordeigenen Zodiacs zum Einsatz gekommen sind. Auch dies zeigt, unter welchen besonderen Bedingungen die südöstliche Antarktis mit einer Expedition zu bereisen ist. Während die Beiboote auf der antarktischen Halbinsel zum Standardrepertoire täglicher Anlandungen gehören, ist in der südlichen Antarktis eine Expedition zu Land nur mit dem bordeigenen Hubschrauber möglich. Der Eisgürtel vor den Küsten ist viel zu dicht, als dass sich hier mit den kleinen Schlauchbooten erfolgreich operieren ließe. Aber auf Heard Island waren sie unsere einzige Chance, und wir hatten das nötige Glück, sie nutzen zu können. Niemand von uns wird so schnell hierher wieder zurück kommen können, es wird vielleicht ein Abschied für immer sein.
Sechs volle Tage braucht der Eisbrecher ab Heard Island zum Zielhafen Perth. Uns allen ist bewusst, dass es sehr bange Tage werden könnten, denn die See in diesem Teil der Welt ist gefürchtet. Niemand wurde seekrank, wir hatten großes Glück. Bei schwerem Seegang ist ein Eisbrecher dieser Klasse für das „rollen“ in den Wellen weitaus anfälliger als ein klassisches Expeditionsschiff. Der Grund ist in seinem hohen kubischen Aufbau zu sehen. Daher die Kapitan Khlebnikow (Freunde und treue Fans des Schiffes nennen sie schlicht „KK“) auch einen Tiefgang von 8,50 Metern. Klassischen Expeditionsschiffen genügen oft weniger als 5 Meter Tiefgang. Victor Vassiliew, der erfahrene Kapitän, wartet bis die Stürme vor Heard Island abgezogen sind und fährt praktisch im Windschatten des schlechten Wetters bei einer bemerkenswert stabilen See.
Der Expeditionsleiter gibt uns noch beim Frühstück vor Heard Island den Tipp mit auf den Weg, doch bitte noch schnell eine letzte Dusche zu nehmen, bevor wir von Heard Island aus für eine Woche in die offene See starten. Zu ungewiss seien das Wetter und die Möglichkeiten begrenzt, wenn das Schiff erst einmal in den Fängen der wilden See ist. Doch auch hier haben wir großes Glück. Es bleibt ruhig, die verbleibenden Tage können für Fotowettbewerbe an Bord, letzte Vorlesungen der Lektoren und das Schreiben von Postkarten genutzt werden. Erst der distanzierte Blick auf die Bilder der Kaiserpinguine bei strahlend blauem Wetter und Windstille lässt uns erkennen, das eine Expedition mehr noch als eine klassische Kreuzfahrt in ihrem Gelingen den Elementen ausgesetzt ist und Dankbarkeit das Gebot der Stunde ist, wenn einmalige Erlebnisse möglich werden. Ob unserer aller Bilder auch nur einen kleinen Teil von der unendlichen Schönheit dieses Teils der Welt zu transportieren vermögen?
Anreise:
Die Anreise nach Hobart über Singapur und Melbourne leistet Qantas, für den extrem langen Flug ist die neue und hoch komfortable First Class der Airline zu empfehlen. Die hohen Investitionen der Airlines haben sich gelohnt. Qantas gehört zu den airlines, die am stärksten in eine neuwertige Flotte investiert haben und die mit die höchste Anzahl der neuen A380er Reihe von Airbus operativ unterhalten. Die Ausrüstung der Flotte mit First- oder Business Class Kabinen ist vom einzelnen Airport abhängig.
Per Knopfdruck lässt sich der Sitz von einer gemütlichen Leseposition in ein zwei Meter langes Bett verwandeln. Fluggäste bekommen zudem einen Qantas-Pyjama. Die overnight kits enthalten luxuriöse Pfflegeprodukte und weiteren Reiseaccessoires weltführender Marken, die sicherstellen, erfrischt am Zielort anzukommen. Das Unterhaltungsprogramm bietet topaktuelle Kino-, Fernseh- und Audiokanäle in CD-Qualität und verschiedene Spiele auf dem eigenen 26 cm breiten Sensorbildschirm. Mit Audio und Video auf Abruf* können Sie unsere 400 Audio-/Video-Kanäle jederzeit abspielen, auf Pause schalten, vorspulen oder stoppen. Sie haben freie Wahl zwischen 60 Filmkanälen, 200 TV-, 20 „Q Radio“-Sendern, 150 CD´s und 10 Computerspielen
Eine Übernachtung in Tasmanien vor der Einschiffung ist anzuraten, auch ein Vorprogramm auf dieser schönen Insel ist möglich. Die Rückreise erfolgt mit Qantas ab Perth wiederum über Singapur nach Deutschland.
Infos:
Text: Frank Dieter Sistenich, Fotos:. Frank Dieter Sistenich